Kleine Verlagschronik

Der Verlag Bärmeier & Nikel – ein Verlag, zwei Leben. Gegründet 1954 von Erich Bärmeier und Hans A. Nikel in Frankfurt am Main, galt B & N schnell als der Verlag für Satire und  Humor in der jungen Bundesrepublik. Zeichner wie Loriot, Kurt Halbritter, Chlodwig Poth und Hans Traxler veröffentlichten hier ihre ersten und dann zahlreichen Karikaturenbücher, es folgten Werke von Robert Gernhardt, F.K. Waechter und Volker Ernsting. Hunderttausende der sogenannten Kleinen Schmunzelbücher und der größeren Variante verkauften sich über die Jahre und ermöglichten es den Verlegern schließlich, 1962 eine neuartige Satirezeitschrift auf den bundesrepublikanischen Markt zu bringen: PARDON. Die »deutsche satirische Monatsschrift« erwies sich aus dem Stand heraus als großer Erfolg. Bis dato unbekannte satirische Aktionen, freche und auch durchaus erotische Fotos und Karikaturen, gepaart mit ernsthaften Reportagen und erstaunlich breitgefächerten literarischen Formen, begeisterten eine junge und weltoffene Leserschaft. Bis 1969 stieg die Auflage von PARDON auf über 300.000 Exemplare und war somit die größte satirische Zeitschrift Europas. Das Programm des Buchverlages wurde Mitte der 1960er Jahre um Romane und einige Sachbücher erweitert, besonders satirische Werke fanden sich für einige Jahre in der PARDON-Bibliothek wieder. 

1966 wagte man sich an Jules Verne. Dazu wurden seine bekanntesten und einige weniger bekannte Romane komplett neu übersetzt, eingekürzt und dem damaligen Sprachgebrauch angepasst. Der moderne Verne kam an, verkaufte sich erfreulich gut, was auch an den Übersetzungen von u.a. Wolf Wondratschek lag. Die einige Jahre später vergebene Lizenz an den Fischer Taschenbuchverlag war noch erfolgreicher. Bis in die 1990er Jahre hinein verkauften sich die Bücher hunderttausendfach. Und auch heute noch erscheinen einzelne Romane in Lizenz von Bärmeier & Nikel.

1966 erwarben Bärmeier und Nikel die sich in Konkurs befindliche Testzeitschrift DM – Deutsche Mark, den Pionier des vergleichenden Warentests in Deutschland. Warentest und Verbraucheraufklärung passten durchaus zum verlegerischen Selbstverständnis, sind doch Satire und Enthüllungsreportagen (wie jene von Günter Wallraff, der seine Karriere bei PARDON begann) im Grunde auch Aufklärung der anderen Art. 

1968 konzipierten Bärmeier und Nikel eine Art Schüler-PARDON, das monatlich erscheinende UNDERGROUND. Neben praktischen Anleitungen für Schülerstreiks, Happenings und Reportagen über schlimme Lehrer und Schulen (damals war es dem Lehrkörper erlaubt, seine Zöglinge zu züchtigen) brachte UNDERGROUND, ganz dem Zeitgeist entsprechend, freizügige Fotos, Kontaktanzeigen, Konzert-Hinweise und Cartoons.

1969 erschloss man sich den Versandhandel und gründete ZWEITAUSENDEINS. In PARDON erschienen unter dem Namen PARDON-Shop wimmelige Anzeigen, in denen Bücher (u.a. Remittenden aus dem Verlagsprogramm) und Schallplatten zu reduziertem Preis, aber auch ab und an historische Automobile und lustige Geschenkartikel angeboten wurden.

Bis Ende 1970 blühte und gedieh der nun der zur Gruppe angewachsene Verlag Bärmeier & Nikel. Über 100 Angestellte tummelten sich an drei verschiedenen Standorten im Frankfurter Nordend. Auch gab es konkrete Pläne, die Angestellten am Unternehmen zu beteiligen.

1971 dann das jähe Ende. Bedingt durch fortwährenden Finanzbedarf der Testzeitschrift DM, einem sich schlechter verkaufenden Buchprogramm, das Verlagsleiter Herbert Feuerstein zu verantworten hatte und dem Einbruch des Anzeigengeschäftes bei PARDON, geriet die Verlagsgruppe in finanzielle Schieflage und musste Vergleich anmelden. Alle Angestellten, Autoren und Zeichner wurden zu 100% finanziell abgefunden, die beiden Verleger trugen die Schuldenlast über viele Jahre ab.

In Folge trennten sich Erich Bärmeier und Hans A. Nikel, UNDERGROUND wurde eingestellt, die DM wanderte zu Bärmeier und PARDON, wie auch der Buchverlag zu Nikel. Bis Mitte 1971 erschienen noch einige früher konzipierte Paperbacks und Schmunzelbücher. Der Erfolg war bescheiden, so dass die Buchproduktion mit Jahresende eingestellt wurde. ZWEITAUSENDEINS ging an Nikels ehemaligen Assistenten Lutz Reinecke und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu dem Versandhandel und Verlag für günstige Schallplatten und dem Zeitgeist der 1970er entsprechende Bücher. 

B&N wurde, um die Bildmarke weiterhin verwenden zu können, in B&N – Bücher & Nachrichten (früher Bärmeier & Nikel) umfirmiert und verwaltete in den kommenden Jahrzehnten fast ausschließlich die Rechte. 

Mitte der 1980er Jahre erschienen Dutzende alter B&N-Titel als Taschenbuch im Goldmann-Verlag, und auch eine ganz neue Buchreihe mit dem teuflischen PARDON-Logo beim Verlag Rasch & Röhring suchte im Buchhandel ihr Publikum. Der Erfolg der R&R-Veröffentlichungen indes darf im Gegensatz zur GOLDMANN-Produktion als bescheiden bezeichnet werden. 

2008 wurde der mittlerweile als Bildhauer tätige Hans A. Nikel noch einmal als Verleger im kleinen Rahmen aktiv und brachte innerhalb von drei Jahren unter dem B&N-Logo (allerdings nach wie vor Bücher & Nachrichten) Büchlein in Zusammenarbeit mit dem einstigen PARDON-Zeichner Stano Kochan heraus. Da es keinen Vertrieb gab, nahm der Buchhandel folglich keine Notiz und weitere Publikationen blieben aus.

Hans A. Nikel starb 2018, und damit schien die lange Geschichte von B & N vorbei. Ist sie aber nicht.

2020 übernahm der über viele Jahre mit Nikel eng befreundete Grafiker und Verleger der Berliner Monatszeitschrift DAS MAGAZIN, Till Kaposty-Bliss, die Namens- und Verlagsrechte und kehrte im Andenken an seine Gründer zum klassischen VERLAG BÄRMEIER & NIKEL zurück. An seiner Seite nun Patricia Holland-Moritz, viele Jahre Programmleiterin des Ullstein-Imprints ALLEGRIA und erfolgreiche Romanautorin (»Kaßbergen«, verlegt bei Aufbau), die Programm und Lektorat betreut. Um auch im Handel sichtbar zu sein, besorgt ein erfahrener Fachmann, Bodo von Hodenberg, den Vertrieb über seinen Verlag FAVORITENPRESSE.

Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 meldete sich B & N mit erfreulicher Publikumsresonanz zurück. Und nun geht es weiter. Behalten Sie den Verlag Bärmeier & Nikel im Blick. Es lohnt sich. 

Das geschmackvolle Foto des Verlegerpaares verdanken wir Mathias Bothor (www.mathiasbothor.com).